Nachricht

Stop UrencoStrahlende Nikolausbescherung, ahnungslose Stadtverwaltung: Am Abend des 06. Dezember 2006 rollte erneut ein Atomtransport durch Bonn-Beuel. Der Zug umfasste wie bereits am vergangenen 15. November sieben Waggons mit Uranhexafluorid-Fässern, die aus dem südfranzösischen Pierrelatte in die einzige deutsche Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau gebracht wurden. Der Anteil des spaltbaren Materials wird dort von den Betreibern - der Urenco-Gruppe - gesteigert, um Brennelemente für Atomkraftwerke produzieren zu können. Skandalös sind nicht nur die enormen radiologischen und chemischen Gefahren dieser Transporte, sondern die Erweiterung der Gronauer Anlage. Diese wird schon im nächsten Jahr weltweit mehr als 35 Atomkraftwerke mit Brennstoff versorgen und damit ihre Kapazitäten fast verdreifachen. 

Streckenkarte Pierrelatte - Gronau Die von der Urenco-Gruppe betriebene Atomanlage ist gleichzeitig militärisch hochbrisant, stellt doch das für die Anreicherung verwendete Zentrifugenverfahren die Schlüsseltechnologie für die Produktion von atomwaffenfähigem Material dar. Der Iran lässt grüßen. Die Bundesrepublik ist durch den Betrieb der Urananreicherungsanlage Gronau bereits seit langem de facto eine Atommacht im "stand-by-Modus".

Der Zug erreichte um am 07. Dezember um 00.05 Uhr den Bahnhof Hamm/Westf. und fuhr am folgenden Vormittag weiter nach Gronau.

Nach einem von einem Uranzug ausgelösten Strahlenalarm in Trier hatte der Bonner Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) bereits im Sommer mit der Anti-Atom-Gruppe Bonn Oberbürgermeisterin Dieckmann hinsichtlich der Gefahren von Atomtransporten durch Bonner Stadtgebiet angeschrieben. In Ihrer Antwort vom 22. August 2006 führt Oberbürgermeisterin Dieckmann u.a. aus:

"...die Bundesstadt Bonn verfügt grundsätzlich über keine Informationen, welche Transporte mit gefährlichen Stoffen und Gütern auf der Schiene oder über die Straße durch ihr Stadtgebiet durchgeführt werden. Entsprechende Informationen hierzu liegen weder der örtlichen Ordnungsbehörde, Amt für Umwelt und Verbraucherschutz noch Feuerwehr und Rettungsdienst vor."

"Einzelheiten zu einzelnen Transporten (Beförderungsgut, Fahrplan, Laufweg, etc.) sind bei der Bundespolizei als Verschlusssache eingestuft und werden den örtlichen Ordnungsbehörden daher nicht bekannt gegeben." Die Bundespolizei hat mir auf meine Anfrage mitgeteilt, dass auch ihr über regelmäßig durchgeführte Transporte keine Erkenntnisse vorliegen und im Zeitraum vom 01.07.2006 bis 07.08.2006 auch kein einziger Transport mit Uranhexafluorid bekannt gegeben wurde."

Andere Kommunen entlang der Transportstrecke sind dagegen offenbar deutlich besser informiert: So lässt sich die Stadt Lünen im Vorfeld von Urantransporten vom Regionalkommando der Bundespolizei in Köln über Fahrttermine informieren. Die Stadt Ahaus teilt mit, dass im Kreis Borken die Kreisleitstelle Feuerwehr und andere Rettungsdienste mindestens 48 Stunden vor Transportbeginn informiert wird. Anlässlich des jüngsten Urantransportes durch Hamm erklärte der dortige Feuerwehrchef Tigges: "Das ist ein hochgiftiges Zeug, und damit ist nicht zu spaßen."

Weitere Infos...

pdf Offener Brief an Oberbürgermeisterin Dieckmann "Atomtransporte durch Bonn" (pdf)

pdf Antwort von Oberbürgermeisterin Dieckmann "Atomtransporte durch Bonn" (pdf) 

Radiointerview zu Urantransporten durch Bonn, 12. August 2006, gesendet in Radio Bermudafunk/Radio Dreyeckland 

Pressemitteilung "BUND warnt vor Atomtransporten durch Bonner Stadtgebiet", 27. Juli 2006

Pressemitteilung "Atomtransport rollt durch Beuel", 16. November 2006

Video Urantransport Pierrelatte - Gronau, 07. Dezember 2006 

Pressemitteilung "Im Tal der Ahnungslosen?" , 31. Januar 2007

Presseecho...  

Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ), 07. Dezember 2006

Stadt bestätigt Urantransport - Lüner Atomgegner formieren sich

Der Zug mit Uranhexafluorid an Bord soll gestern zwischen 8.30 und 10 Uhr durch Lünen gerollt sein. Diese Aufnahme des Güterzuges entstand im Bahnhof von Ahaus. (Bild: Privat)Lünen. (jw) Einen weiteren Zug mit Uranhexafluorid an Bord auf Lüner Stadtgebiet meldete gestern die Initiative Menschen gegen Atomanlagen, die sich jetzt auch in Lünen formiert. Die Stadtverwaltung bestätigte den umstrittenen Transport."Als Reaktion auf die Berichte der jüngeren Vergangenheit haben wir mit der Polizei eine Informationskette vereinbart", erklärte Reinhold Urner, Pressesprecher der Stadt, auf Anfrage. Aus Köln habe die Nachricht über den gestrigen Transport das Rathaus erreicht. Vorsichtsmaßnahmen werden laut Urner nicht getroffen: "Es handelt sich um einen Gefahrguttransport, von denen es auch viele andere gibt." Das sieht Wolfgang Porrmann von der Intiative Menschen gegen Atomkraft anders: "Wir wundern uns, dass es keine Absprachen mit der Feuerwehr gibt und der Zug auch bei längerem Aufenthalt nicht polizeilich überwacht wird - die Fracht ist hoch gefährlich." Vor der Strahlung, die nach Messprotokollen der Initiative mit Sitz in Waltrop vorhanden sei, warnt er ebenso wie vor den "verheerenden Folgen eines Unfalls.

Zwischen 8.30 und 10 Uhr sei der Güterzug gestern in Lünen gewesen, so Porrmann. Zuvor habe er seit Mitternacht in Hamm geparkt, "um 11.02 Uhr wurde er in Lüdinghausen gesehen - das Beobachtungsnetz unserer und befreundeter Anti-Atomkraft-Initiativen wird immer dichter." Nach den Berichten unserer Zeitung habe es einige Anfragen aus Lünen gegeben. "Da entwickelt eine Gruppe gerade Aktivität: eine Anfrage an den Stadtrat ist geplant", berichtet Porrmann.Der Transport aus der südfranzösischen Atomanlage Pierrelatte versorge die Urananreicherungsanlage in Gronau mit Uranhexafluorid. Damit werde der Anteil spaltbaren Urans erhöht, um es in Brennelementen in Atomkraftwerken wie der Fabrik in Lingen einsetzen zu können.Zufrieden war Porrmann mit dem gestrigen Protest: An einigen Bahnhöfen organisierten Atomkraftgegner Aktionen wie Mahnwachen.

Westfälischer Anzeiger Hamm, 08. Dezember 2006

Uran-Transporte durch Hamm - Zug steht über Stunden am Güterbahnhof Bundespolizei kontrolliert nur sporadisch

„Das ist ein hochgiftiges Zeug, und damit ist nicht zu spaßen.“ Dieses Zeug von dem Feuerwehrchef Wilhelm Tigges spricht, heißt Uranhexafluorid. Verpackt in einem Sicherheitstank, ist die schwach-radioaktive Chemikalie ein Gefahrgut wie viele andere auch. Wenn „UF6“ jedoch aus dem Tank entweicht, reagiert es mit der in der Luft enthaltenen Feuchtigkeit und es entsteht die hochgiftige Flusssäure. „Und dann hätten wir ein ziemlich großes Problem“, gesteht der Chef der Hammer Brandschützer.

Zu diesem Extremfall hätte es nach Meinung von Atomtransportgegnern in der Nacht zu gestern ohne weiteres in Hamm kommen können. Ein mit sieben Waggons voller Uranhexafluorid beladener Güterzug wurde im Bereich der „Sieben Brücken“ in Pelkum umgekoppelt und stand über mehrere Stunden auf dem Gelände des Güterbahnhofs. „Und zwar gänzlich unbewacht“, wie Matthias Eickhoff vom „Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen“ bemängelt.

„Wir waren zu zehnt vor Ort, sicherlich eine Stunde lang, und wir haben dort demonstriert. Aber die Polizei war überhaupt nic ht zu sehen“, berichtet der Transportgegner relativ entsetzt. Seine These: Mit entsprechender krimineller Energie ausgestattete Personen hätten sich genau so gut dem Zug nähern und eine Katastrophe auslösen können. 300 bis 400 Tonnen Uranhexafluorid hätten sich nach Schätzungen der Aktivisten auf dem Zug befunden. Und zudem seien noch andere Waggons angekoppelt gewesen – auch solche, die mit Chemikalien beladen waren. „Und wer weiß, was in diesen Tanks enthalten war“, zeichnet Eickhoff sein düsteres Bild fort. Für absolut überzogen hält diese Darstellung die Bundespolizei in Köln. „Solche Züge werden von uns sporadisch bestreift“, stellte Pressesprecher Günter Ahr klar. Nach der Gefahrenschutzverordnung sei das Gefahrenpotential allein schon durch die Unterbringung in den speziellen Behältern nicht mehr vorhanden. „Mehrere Stunden“ würden benötigt, um das „UF6“ mutwillig zum Entweichen zu bringen – zuviel Zeit, um von der Streife nicht bemerkt zu werden.

„Mindestens alle zwei Wochen ein Transport“

Ahr bestätigte, dass UF6-Transporte absolut nichts ungewöhnliches seien und regelmäßig auch das Hammer Gleisnetz passierten. Die Atomtransport-Gegner wollen ausgemacht haben, dass mindestens alle zwei Wochen, wenn nicht sogar wöchentlich, Uranhexafluorid auf dem Schienenweg durch Hamm rolle. Die örtliche Feuerwehr und die Katastrophenschützer werden laut Bundespolizei über diese Transporte nicht informiert, wohl aber die Hammer Polizei, die auch von dem jüngsten Transport wusste.Das Uranhexafluorid stammt aus der südfranzösischen Atomanlage Pierrelatte im Rhone-Tal und wurde zur Urananreicherungsanlage nach Gronau gebracht. Dort wird das schwach radioaktive Material so behandelt, dass in fünfprozentiger Konzentration Uran 235 entsteht. Derart aufbereitet, kann es wiederum in Atomkraftwerken verwendet werden. Der Zug lief mittags planmäßig dort ein.

taz, Die Tageszeitung, 18. Dezember 2006

Gefahr auf Gleisen

Züge mit 2.000 Tonnen radioaktivem Material fahren regelmäßig durch NRW. Doch oft erfahren die BürgerInnen davon nichts. Anti-Atominitiativen fordern Aufklärung: "Die Transporte laufen heimlich"

Von Julia Groth. Alle zwei bis drei Wochen herrscht auf Nordrhein-Westfalens Bahnstrecken der Ausnahmezustand: Ein Zug, beladen mit mit hochgiftigem und radioaktivem Uranhexafluorid, rollt dann aus Frankreich kommend in Deutschlands einzige Urananreicherungsanlage im münsterländischen Gronau. Mehrere Anti-Atomkraft-Initiativen fordern jetzt von den Städten entlang der Zugstrecke, ihre Bürger besser vor der Gefahr durch Strahlung und Unfällen zu schützen. Denn die Anwohner wissen oft nichts von der gefährlichen Fracht. "Transporte mit Uranhexafluorid werden wie ein Staatsgeheimnis behandelt", kritisiert Wolfgang Porrmann von der Waltroper Initiative Menschen gegen Atomanlagen (MEGA).

Mehr als 1.500 Züge mit jeweils 2.000 Tonnen der gefährlichen Substanz an Bord sind seit 2001 durch NRW gefahren. Auf dem Weg nach Gronau passieren sie Städte wie Bonn, Dortmund, Greven, Waltrop und Ahaus. Die Stadträte wissen meist ebenso wenig wie die anderen Einwohner von den Transporten, denn Urenco, die Betreiberfirma der Gronauer Anlage, informiert die Öffentlichkeit nicht im Voraus. Auch die Polizei hat keine Informationspflicht.

Nun regt sich Widerstand gegen die Transporte. In Ahaus wird sich der Stadtrat morgen mit dem Thema befassen. Die Fraktion der Unabhängigen Wählergruppe (UWG) will wissen, wie groß die Gefahr für die Einwohner ist. Dass neben dem Castor-Transport noch weitere Züge mit radioaktiven Stoffen durch Ahaus fahren, wusste man laut einem offiziellen Schreiben der Stadt bis zur Anfrage der Wählergruppe nicht. "Seit langer Zeit laufen die Dinge sehr heimlich ab", sagt UWG-Mitglied Dieter Homann.

Eine Ausnahme von der Geheimniskrämerei gibt es in Lünen. Die Stadt ist zwar über die Urantransporte informiert, interessiert sich aber nicht besonders für deren Gefahren. "Das ist ein Gefahrguttransport wie jeder andere auch", so Pressesprecher Jochen Neubauer. Man wolle nur wissen, was sich auf den Gleisen im Stadtgebiet tue. Dass die Stadt über die Züge nach Gronau bescheid weiß, ist Neubauer zufolge einer Sondervereinbarung mit der Polizei zu verdanken, die auf gutem Willen beruht.

In Bonn und Dortmund hingegen weiß man nichts von den mit Uran beladenen Zügen. Dabei ist die Strahlungsgefahr laut Porrmann von MEGA nicht zu unterschätzen. Eigene Messungen hätten ergeben, dass die gefährliche Gammastrahlung außen fast so kritisch hoch sei wie beim Castor-Transport. Laut Urenco sind die Werte nicht gesundheitsschädlich. "Die Gefahr wird heruntergespielt", kritisiert Porrmann. Auch in Münster, Rheine, Hamm, Lünen und Datteln wollen die Anti-Atom-Aktivisten deshalb Anfragen stellen: Die Stadtverwaltungen sollen erklären, ob sie überhaupt von den Atomtransporten wissen - und wie sie die Bevölkerung im Unglücksfall schützen wollen.

Geheime Atomtransporte. Die ignorierte Gefahr

Kommentar von Andreas Wyputta. Grotesk: 20 bis 30 Mal im Jahr rollen Züge mit Uranhexafluorid mitten durch Nordrhein-Westfalen - und kaum jemand interessiert sich dafür. Dabei ist der Grundstoff für die Brennstäbe der deutschen Atommeiler nicht nur radioaktiv, sondern auch hochgiftig. Bei Kontakt mit der Umwelt entsteht stark ätzende Flusssäure. Bei einem Zugunglück rechnet selbst die Firma Urenco, Betreiberin der einzigen deutschen Urananreicherungsanlage im münsterländischen Gronau und Auftraggeber der Transporte, mit Toten.

Die Atomzüge rollen dennoch mitten am Tag durch belebte Bahnhöfe und Wohngebiete, werden munter hin- und herrangiert und bleiben nachts auch mal auf unbewachten Güterbahnhöfen stehen. Anwohner aber werden nicht informiert - dabei führen die Transportstrecken mitten durch das Rheinland und das nördliche Ruhrgebiet.

Bei der Urenco, einer Tochterfirma der Atomstromkonzerne RWE und Eon, hat diese Geheimhaltung Tradition. Der Urananreicherer, der Uranhexafluorid auf seinem Gronauer Betriebsgelände in Fässern unter freiem Himmel lagert, informiert generell nicht über die Transporte. Fahrlässig aber ist, dass Nordrhein-Westfalens Behörden - vom Energieministerium über die Polizei bis zu den Stadtverwaltungen - diese Geheimniskrämerei mitmachen. Die Anfragen von Anti-Atom-Initiativen zeigen: Viele Stadtverwaltungen entlang der Transportrouten wollen nicht einmal wissen, wann Gefahr durch durch Atomzüge droht.

Geschützt werden kann die Bevölkerung so nicht. Sollte es tatsächlich einmal zu einem Unfall kommen, träfe der nicht nur die lokalen Feuerwehren unvorbereitet. Auch Evakuierungspläne existieren nicht. Stattdessen wird die Gefahr nicht nur in den Rathäusern, sondern auch von Seiten der Landesregierung einfach ignoriert: Ein Skandal, schon heute. 

Artikel "Bombige Urananreicherungsanlage in Gronau"
http://oraclesyndicate.twoday.net/stories/2963332