Viele PolitikerInnen, Medien und die Atomlobby sind sich gerade einig: Wenn die Energiekosten steigen, muss man endlich mehr billigen Atomstrom nutzen. Die Behauptungen, Atomstrom sei kostengünstig, Laufzeitverlängerungen seien sozial und das ganze helfe dann auch noch den Erneuerbaren Energien - die haben wir mal auf den Prüfstand genommen. Bitte Meinung selber bilden...
„Längere Laufzeiten für AKWs sind sozial gerecht, weil sie die Energiekosten senken.“
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AKWs deckten 2007 22%
des deutschen Strombedarfs, insgesamt aber nur
5,2% des deutschen Endenergieverbrauchs. Mit Atomstrom kann man aktuell nun
mal weder heizen noch Auto fahren. Heizkosten und Kraftstoffe steigen aber
deutlich stärker und machen den Großteil der steigenden Energiekosten für den
Endverbraucher aus.
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Wenn durch mehr
Atomstrom der Strompreis wirklich sinken sollte, würde sich das für die
Energiekosten eines Otto-Normal-Verbrauchers kaum bemerkbar machen: Ein
durchschnittlicher 2-Personen-Haushalt verbraucht im Jahr durchschnittlich
28.000 kWh Energie (Strom, Wärme, Kraftstoffe). Davon hat Strom aber nur einen
Anteil von 3.000 kWh. Für diese Menge Strom gibt dieser 2-Personen-Haushalt im
Jahr 650 Euro aus. Das sind 21% der
gesamten jährlichen Energiekosten. Nur in diesem Segment könnte „billiger“
Atomstrom wirksam werden.
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Der Bundesverband der
Verbraucherzentralen hat vorgerechnet, wie wenig von den Konzerngewinnen aus
Atomstrom beim Endverbraucher ankommen würden: Bei zehn Jahren zusätzlicher
Laufzeit würden in Deutschland durchschnittlich pro Jahr 7% mehr Strom zur
Verfügung stehen. Atomstrom aus laufenden, abgeschriebenen AKWs produziert eine
Kilowattstunde Atomstrom heute schon für nur 1 Cent. Damit ist Atomstrom schon
heute ca. 5 Cent günstiger als der maßgebliche Grundlast-Strompreis an der
Leipziger Strombörse EEX (ca. 6 Cent). Würde jetzt die Hälfte des Kostenvorteils
(2,5 Cent) analog auf 7% des Strompreises weitergegeben, dann hätte der
Durchschnittshaushalt ca. 50 Cent
weniger Stromkosten im Monat (vgl. http://www.sueddeutsche.de/finanzen/artikel/168/184589/).
Zum Vergleich: Diese Kostenersparnis könnte auch erzielt werden, wenn nur eine 60-Watt-Glühbirne durch eine
Energiesparlampe ausgetauscht würde.
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Dieser Kostenvorteil für
den Endverbraucher ist nur ein theoretisches Rechenbeispiel. Die Preisbildung
auf dem Strommarkt funktioniert anders – Jedes Kraftwerk, das am Netz hängt, hat
spezifische Produktionskosten für seine Kilowattstunde Strom. Für den
Strompreis ist der Anbieter entscheidend, der seinen Strom an der Leipziger
Strombörse je nach aktueller Stromnachfrage gerade noch zum höchsten Preis
verkaufen kann. Daran orientieren sich alle anderen Anbieter. Sie verkaufen
ihren Strom ebenfalls zum höchsten erzielbaren Preis. Auch den billigen
Atomstrom. Daher die tolle Gewinnmarge
von 5 Cent je Kilowattstunde Atomstrom. Atomstrom würde den Börsenpreis nur
drücken können, wenn er ständig je nach Nachfrage auf Abruf aus alten
abgeschriebenen AKWs geliefert werden könnte. Kann er aber nicht.
- Über die Weitergabe von Unternehmensgewinnen an den Endverbraucher kann man ja nichtsdestotrotz gerne mal reden: Der summierte Konzernüberschuss der vier Energieversorger lag 2007 bei 14 Milliarden Euro. Allein E.ON hat seinen Konzernüberschuss 2007 gegenüber 2006 um 1,6 Milliarden Euro erhöht (Quelle: Greenpeace). Hohe Strompreise fallen nicht vom Himmel, sondern werden von Konzernen gemacht, deren Ziel in der Gewinnmaximierung liegt.
„Länger Laufzeiten für AKWs helfen dem Ausbau der Erneuerbaren Energien.“
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Erneuerbare Energien
brauchen keine „Almosen“ der
AKW-Betreiber, sondern sind schon heute in einigen Bereichen konkurrenzfähig,
werden aber häufig noch von Stromnetz- bzw. AKW-Betreibern am Netzzugang
behindert und leiden unter den Marktverzerrungen
durch jahrzehntelange, andauernde Subventionen für Kohle & Atom. Nicht
Sponsoring durch Eon und Co., sondern ordentliche rechtliche Rahmenbedingungen
sind entscheidend.
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Ob die Großen Vier
einfach verpflichtet werden könnten, Zusatzgewinne aus bestimmten Bereichen
(wie AKW-Laufzeitenverlängerung) in bestimmte Bereiche (Erneuerbare Energien)
zu investieren, darf mehr als bezweifelt werden. Es könnte sich allenfalls um
eine freiwillige Verpflichtung
handeln – und wie zuverlässig die Konzerne in solchen Sachen sind, sieht man ja
beim sog. Atomkonsens von 2001.
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Die Förderung von
Investitionen der Großen Vier im Bereich der Erneuerbaren Energien durch AKW-Laufzeitverlängerungen
würde nur deren sowieso schon dominierende
Rolle in der Stromerzeugung zementieren (wie war das noch mit dem tollen
„Wettbewerb“...?!).
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AKW-Betreiber hätten –
wie viele BürgerInnen, Landwirte, Kommunen, Stadtwerke, usw. schon vor 20 Jahren reichlich in
Erneuerbare Energien investieren können – wenn ihnen diese so am Herzen gelegen
hätten.
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AKW-Laufzeitverlängerungen
behindern nur den Ausbau der Erneuerbaren Energien durch Blockieren der Stromnetze. Wenn z.B. die norddeutschen AKWs länger
laufen, wird’s noch schwieriger, die wachsenden Mengen Windstrom von den Küsten
wegzutransportieren.
- Und nicht zuletzt: Wenn es auch 2030 oder 2050 noch ein Überangebot von Atom- (und Kohle-)strom gibt, wer hätte dann noch einen Anreiz, in Erneuerbare Energien zu investieren?
„Aber Atomstrom ist doch so billig!“
- Stimmt ausnahmsweise – aber nur für die AKW-Betreiber selbst. Den Rest der Gesellschaft kommt Atomstrom schon immer teuer zu stehen:
· kerntechnische Forschung 1974-2007 (preisbereinigt, nur Bundeshaushalt): 24 Mrd. Euro (Quelle: BMU)
· gescheiterte Atomprojekte (nur öffentliche Mittel): 9 Mrd. Euro (BEE)
· Sanierung nur Uran-Abbaugebiet Wismut: 7 Mrd. Euro (BEE)
· Betrieb und Stilllegung Morsleben: 1,2 Mrd. Euro (BEE)
· Abriss/Endlagerung Greifswald: 3,7 Mrd. Euro
· Befreiung von Emissionshandel und Brennstoffbesteuerung (jährlich): ca. 1,5 Mrd. Euro (FÖS)
· Steuerbefreiung für Endlager-Rückstellungen der AKW-Betreiber (jährlich): 0,8 Mrd. Euro (FÖS)
· außerdem: Atomtransporte, vergünstigte Atomhaftpflicht, Endlagerkosten, Gesundheitsschäden,….

