Castor nach Ahaus stoppen, Gronau abschalten statt erweitern!

Erinnern Sie sich? Hamm-Uentrop, spektakuläre Sprengung des Kühlturmes. Der sogenannte Thorium- Hochtemperatur- Reaktor (THTR) produzierte zwar nur etwas mehr als ein Jahr Strom, verschlang aber rund 6 Mrd. DM Investitionskosten und Forschungsgelder. Mit dem Ende des einstigen Vorzeigeprojektes schien auch die Atomenergie in Nordrhein-Westfalen besiegelt.
Man nehme Uran...
Gronau an der niederländischen Grenze steht ganz am Anfang der Sackgasse Atomenergie. Die dortige Uran-Anreicherungsanlage (UAA) bereitet das Uran für den Einsatz als Brennelement vor, wozu der Anteil des spaltbaren U235 erhöht wird.
Der Betreiber, der Urenco-Konzern, darf die Kapazitäten nun fast verdreifachen. Ab 2007 werden die Betreiber weltweit rund 35 Atomkraftwerke mit dem Jahresbedarf an Brennstoff versorgen. Energieminister Horstmann erteilte Mitte Februar die Genehmigung für eine Erweiterung auf dann 4500 Tonnen Urantrennarbeit.
Werner Bischoff, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, freute sich daraufhin über die Sicherung von angeblich 150 Arbeitsplätzen. Ob sich bis nach Düsseldorf herumgesprochen hat, dass im Bereich der Erneuerbaren Energien heute bereits mehr als doppelt so viele Menschen arbeiten wie in Atom- und Kohlebranche zusammen?
...stecke es in einen Reaktor...
Ob Kalkar, Würgassen oder Hamm-Uentrop - die nordrhein-westfälischen Reaktorprojekte sind ausnahmslos gescheitert. Was technisch und ökonomisch bei uns floppte, soll jetzt aber in China und Südafrika wiederauferstehen. Dank des Jülicher Kernforschungszentrums, das weiterhin mit öffentlichen Mitteln an einer Neuauflage des THTR bastelt. Das Bund und Land gehörende Forschungszentrum entwickelt u.a. für den südafrikanischen Stromkonzern ESKOM ein Nachfolgemodell des Uentroper Kugelhaufenreaktors. Am Kap hat im Januar allerdings ein Gericht die Regierungsgenehmigung nach einer Klage der Umweltorganisation Earthlife vorerst auf Eis gelegt.
Während Landesregierung und Jülicher Forscher beteuern, es handele sich lediglich um "Reaktorsicherheitsforschung", gibt es aber bereits Exportpläne nach China. Auch in der Türkei wollen sich Regierungsvertreter den THTR aufschwatzen lassen. Dort sind ab 2012 an drei Standorten neue Reaktoren geplant. Lothar Hahn, früherer Vorsitzende der bundesdeutschen Reaktorsicherheitskommission zum THTR: "Ein gefährlicher Großversuch".
...und verschicke es über die Autobahn.
Das Atommüll-Lager in Ahaus war zuletzt 1998 Ziel von Atomtransporten aus süddeutschen Atomkraftwerken. Bereits nach wenigen Jahren zeigen die dort abgestellten Castor-Behälter zum Teil tellergroße Rostlöcher. Die offene, luftgekühlte Lagerhalle sei so nass wie eine Tropfsteinhöhle, bemerkt Felix Ruwe von der Bürgerinitiative "Kein Atommüll in Ahaus". Im März meldete die Ahauser Castor-Garage, die nicht gegen Flugzeugabstürze gesichert ist, einen erneuten Defekt an der Deckeldichtung eines ihrer Behälter.
Nicht ganz dicht scheint in dieser Angelegenheit aber auch die rot-grüne Landesregierung: Ab dem 27. Mai sollen neue Castor-Transporte nach Ahaus rollen. 18 Behälter mit insgesamt 951 hochradioaktiven Brennelementen aus dem ehemaligen DDR-Reaktor Dresden-Rossendorf. Dort strahlt der Müll in einem praktisch baugleichen Lager zwar seit 15 Jahren genau so sicher oder unsicher vor sich hin wie in Ahaus. Dennoch: NRW macht mal wieder den Müllmann für die Atomindustrie.
Schließlich bestehen die Betreiber auf einem Transport, um ihre teuer angemieteten Stellplätze in Ahaus in Anspruch zu nehmen. Dabei können sie sich auch auf den sogenannten "Atomkonsens" berufen. Die Vereinbarung der Bundesregierung mit den Stromkonzernen vom Juni 2000 sieht vor, dass von Rossendorf Müll nach Ahaus "entsorgt" wird.
Mit voraussichtlich rund 50 Mio. Euro muss sich NRW nun am Polizeieinsatz für die drei Transporte ins Münsterland beteiligen - der Friede mit den Stromkonzernen ist es Rot-Grün offenbar wert. Sparen kann man dafür bei der Sicherheit: Kostenbewusst wird der Transport erstmals seit den 80er Jahren wieder mit Lkws über 600km Autobahn quer durch die Republik geschickt.
Erst Anti-Atom-Initiativen machten diese Pläne im Winter 2003 publik und setzten Politik und Betreiber mit Demos und Aktionen unter Druck. Damit das Thema Atomtransporte nicht den Landtagswahlkampf durchfährt, haben sich Düsseldorf und Dresden nun immerhin auf eine Verschiebung nach den 22. Mai einigen können.
Und Bonn?
NRW hat sich zu einer bedeutenden Drehscheibe für Atomtransporte entwickelt. Zwischen Sommer 1998 und Frühjahr 2001 ruhte wegen der Überschreitung der Grenzwerte an den Behältern zwar der Mülltourismus in die Plutoniumfabriken La Hague und Sellafield. Seitdem rollten jedoch fast im monatlichen Rhythmus Züge mit abgebrannten Brennelementen über die Rheinschiene. Belgien und die Niederlande hatten aus guten Gründen eine Durchfahrt der Transporte verweigert.
Mehrmals haben auch in Bonn AtomkraftgegnerInnen mit Mahnwachen und Aktionen auf diese rollende Verantwortungslosigkeit aufmerksam gemacht, z.B. am Bahnhof Beuel. Der anstehende Autobahn-Transport nach Ahaus wird die Region zwar nicht direkt betreffen, ab 2008 möchten die Betreiber des dortigen Lagers aber auch regelmäßige Rücktransporte aus La Hague in Empfang nehmen. Hinzu kommen - ebenfalls über Bonn - vermehrte Urantransporte vom südfranzösischen Zulieferer der dann erweiterten Gronauer Urananreicherung.
Es wird Zeit, mit dem Atomausstieg Ernst zu machen. Fangen wir in NRW an.
Infokasten
Nach Informationen der Anti-Atom-Initiativen werden ab dem 28. Mai sowie am 04. Juni Castortransporte nach Ahaus rollen. Ab dem letzten Wochenende im Mai wird es in Ahaus auch Camps, Anlaufpunkte und ein großes Open-Air-Konzert geben.
Weitere Termine:
So, 17. April 05, 14 Uhr
125. Ahauser Sonntagsspaziergang
Kundgebung, Protestspaziergang und Treckerdemo, Bahnhof, Ahaus
Sa, 30. April 05 - So, 01. Mai 05
28. Maifest der Bürgerinitiative "Kein Atommüll in Ahaus"
Politik und Kultur, Kaffee und Kuchen, BI-Wiese am Atommüll-Lager, Ahaus
Fahrrad- und Autokorso zur Uran-Anreicherungsanlage Gronau
Sa, 28. Mai 05
Auftaktwochenende
Konzert und Kulturprogramm auf dem Widerstands-Camp auf der BI-Wiese am Atommüllager, Ahaus
So, 05. Juni 05, 14 Uhr
Gronauer Sonntagsspaziergang
Kundgebung und Protestspaziergang rund um die Uran-Anreicherungsanlage (UAA) Gronau
Infokasten
Pleiten der Atomwirtschaft in NRW
Jülich: THTR-Versuchsreaktor, 1988 stillgelegt, Unterhalt jährlich 15 Mio. Euro, Abrisskosten 300 bis 500 Mio. Euro
Kontakt und weitere Infos:
www.bi-ahaus.de
www.uaa-gronau.de
www.akte-nix.de

