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Kohle stoppen – Klima schützen – wir sind das Investitionsrisiko!

(Artikel erscheint in der Mai/Juni-Ausgabe 2016 der Bonner Umweltzeitung)

Letztes Jahr haben wir über die vielfältigen Protestaktionen im Rheinischen Braunkohlerevier berichtet. Der Höhepunkt war die Aktion des Bündnisses „Ende Gelände“, bei der 1500 Menschen gemeinsam die Bagger im Tagebau Garzweiler blockiert haben. Am Pfingstwochenende geht es jetzt zu Protestaktionen in die Lausitz, wo sich die Menschen seit Jahren gegen Kohleabbau, Abbaggerung und Umsiedlung wehren!

 

 

Vattenfall, der bisherige Eigentümer des Lausitzer Braunkohlereviers, will sich von seiner Braunkohlesparte trennen. Das ist die einmalige Chance, Tagebaue und Kraftwerke endlich stillzulegen und zu zeigen, dass ein sozialer und ökologischer Ausstieg aus der Kohle gelingen kann.

Aber statt sich an den in Paris vereinbarten Klimazielen zu orientieren und einen Wandel einzuleiten wird ein neuer Investor gesucht, um das Geschäft mit der Kohle noch Jahrzehnte weiterzuführen und sogar weitere Tagebaue zu erschließen – eine Katastrophe für das Klima und die Umwelt. Dagegen regt sich ein breiter Widerstand.

 

Für das Pfingstwochenende ruft ein breites Bündnis zu Protestaktionen auf:
Am 9. Mai beginnt im Dorf Proschim südlich vom Tagebau Welzow-Süd ein Klimacamp mit Workshops, Aktionstrainings, Kultur und Diskussion. Vom 13. bis 16. Mai wird sich Ende Gelände in einer offen angekündigten Aktion des zivilen Ungehorsams den riesigen Kohlebaggern entgegen stellen. Parallel dazu organisieren Umweltverbände und Klimainitiativen vor Ort am 14. Mai eine Demonstration. Wie im letzten Jahr im Rheinischen Braunkohlerevier gibt es wieder Beteiligungsmöglichkeiten für alle, egal ob Protest erfahren oder nicht. Die Aktionen werden gewaltfrei, vielfältig und kreativ sein, es gibt einen klaren Aktionskonsens, der unter www.ende-gelaende.org eingesehen werden kann.  Auch von Bonn aus wird ein Bus in die Lausitz fahren.

 

Sichere Energieversorgung auch ohne Braunkohle und Atomstrom

Angesichts der dramatischen Auswirkungen des Klimawandels steht außer Frage, dass eine Energiewende erforderlich ist. Rechtzeitiges Umdenken erleichtert diesen Prozess. Ein Blick auf die neusten Zahlen und Fakten zeigt, dass selbst der sofortige Ausstieg aus Atomstrom und das gleichzeitig Abschalten aller Braunkohlekraftwerke möglich wäre (weitere Infos auf www.antiatombonn.de). Für eine vollständige Energiewende wäre es allerdings nötig, neben dem verstärkten Ausbau der Erneuerbaren Energien zügig das Rückgrat einer neuen Energiewirtschaft aufzubauen: intelligenten Netze, Lastmanagement, doppelt nutzbaren Speichersysteme und sogenannte Kombikraftwerke. Eine ebenso wichtige Rolle spielen auch Maßnahmen zur Energieeffizienz und -einsparung, das enorme Potential v.a. in der Industrie ist dabei noch längst nicht ausgeschöpft. Je schneller wir Großkraftwerke abschalten, desto dynamischer entwickelt sich die Energiewende. Umgekehrt führt ein weiterer Ausbau der fossilen Energien dazu,die Energiewende auszubremsen.

 

Kohlesparte als finanzielles Risiko

Die bis jetzt ausgesprochen lukrative Kohlesparte wird mehr und mehr zu einem finanziellen Risiko. Die Klima- und Umweltschädlichkeit von Kohlekraftwerken ist offensichtlich, die auf Dauerbetrieb ausgelegten Kraftwerke sind nicht kompatibel mit den erneuerbaren Energien und die Gefahr von politischen Lenkungsmaßnahmen wie der Klimaabgabe schwebt als Damoklesschwert über der Technologie. Das hat Vattenfall zwar prinzipiell erkannt und angekündigt, zukünftig nur noch in erneuerbare Energien zu investieren, will aber vorher seine Kohlesparte noch möglichst gewinnbringend verkaufen. Schnell wurden noch verschiedene Planungsverfahren auf den Weg gebracht, die es ermöglichen sollen, den Braunkohleabbau in der Lausitz nicht nur fortzuführen, sondern noch erheblich zu erweitern.

 

Neue Tagebaue statt sozialer und ökologischer Wandel

Das Lausitzer Braunkohlerevier besteht zurzeit aus den vier Tagebaugebieten Nochten, Reichwalde, Welzow-Süd und Jänschwalde mit den Kraftwerken Jänschwalde, Schwarze Pumpe und Boxberg.
In Planung sind noch mindestens drei weitere Tagebaue. Der geplante Tagebau Welzow-Süd II, gegen den sich 120.000 Einwender in einer Öffentlichkeitsbeteiligung ausgesprochen haben, wird u.a. das Dorf Proschim zerstören, in dem Pfingsten das Klimacamp stattfindet. Der geplante Tagebau Jänschwalde-Nord bedroht die Dörfer Grabko, Kerkwitz und Atterwasch. Er soll ein Neubaukraftwerk versorgen, für das seit Jahren kein Investor gefunden werden konnte. Für den geplanten Tagebau Nochten  2 sollen etwa 1.700 Menschen aus den deutsch-sorbischen Dörfern Rohne, Mulkwitz, Mühlrose und Schleife umgesiedelt werden.
Östlich der Stadt Spremberg und der Talsperre Spremberg sind darüber hinaus von Vattenfall und Brandenburgischer Landesregierung seit 2007 zwei weitere „Zukunftsfelder“, Spremberg-Ost und Bagenz Ost, ausgewiesen, die ab 2030 die Kohleförderung aufnehmen könnten. Diese Ankündigung ist bis heute nicht zurückgenommen worden.
Dazu kommen noch der Tagebau Gubin/Brody und eine neues Kohlekraftwerk, das der polnische Konzern PGE auf der anderen Seite der Grenze bei Gubin plant. Der neue polnische Tagebau soll über 49 Jahre jährlich 17 Millionen Tonnen Kohle fördern, die im Kraftwerk verbrannt werden soll. Aber auch hier regt sich Widerstand.

 

Engergiepolitisches Mittelalter

Die Planungen in der Lausitz sind energiepolitisches Mittelalter. Vattenfall hat jahrelang an der Braunkohle in der Lausitz sehr gut verdient. Jetzt will der Konzern die Verantwortung für den notwendigen Strukturwandel an neue Investoren delegieren, deren vorrangiges Ziel es sein wird, den Umbau des Energiesystem möglichst herauszuzögern und noch lange Geld aus der Braunkohleverstromung zu ziehen. Die Folge des Verkaufs an einen neuen Investor wären weitere Umsiedlungen, neue Kraftwerke und weitere Millionen Tonnen CO2 Ausstoß. Um einen verantwortlichen Strukturwandel voran zu treiben, hatte auch Greenpeace ein Angebot abgegeben, wurde allerdings von Vattenfall vom Bieterverfahren ausgeschlossen. Dem veranschlagten Wert von ca. einer halbe Milliarde Euro hat Greenpeace dabei ökologische Folgekosten von mindestens 2 Milliarde Euro entgegengestellt. Im Rennen sind jetzt noch zwei tschechische Konzerne. Deren Ziele sind nicht Umbau, sondern Gewinnmaximierung. Aber wir sind das Investitionsrisiko!

 

Es reicht! Nicht verkaufen, sondern „Ende Gelände“ für den Kohleabbau!

Die Lausitz zeigt, wie die herrschende Klimapolitik funktioniert: Alle tun so, als wollten sie Kohle, Öl und Gas nicht mehr – tun aber nichts dafür, dass sie auch im Boden bleiben. Klimagipfel beschwören den Umstieg auf Erneuerbare Energien – die gleichen Regierungen genehmigen und fördern aber weiter die fossilen Energieträger. Die deutsche Regierung spricht vom Klimaschutz – und vergoldet RWE und Vattenfall die alten Kraftwerke mit Konzepten zur Vorhaltung von „Reserven“ und anderen Förderungen. Großbritannien verkündet den Abschied von der Kohle – und setzt stattdessen auf Fracking und Atomkraft.
Es reicht. Wir wollen eine konsequente Energiewende und einen sozialen und ökologischen Umbau. Am Pfingstwochenende fahren wir zu vielfältigen und bunten Protesten in die Lausitz. Wir sind das Investitionsrisiko.
Aktuelle Informationen gibt es unter:

www.ende-gelaende.org
www.lausitzcamp.info
www.antiatombonn.de


Aktuelle Meldung, 19.04.2016: Inzwischen ist klar, dass Vattenfall seine Braunkohlesparte tatsächlich an die tschichische EPH verkauft. Das ändert aber nichts an der Notwendigkeit unseres Widerstandes.
Hier die Einschätzung der Online-Zeitung "Klimaretter".