Interview mit Herbert Hoting
Monat für Monat rattern Atomtransporte auf der Schiene durch Bonn-Beuel. Oder ist es wöchentlich oder täglich? Das wird geheim gehalten. So geheim, dass es auch die für den Katastrophenschutz zuständigen Dienststellen in Bonn nicht wissen. Jetzt liegt ein Antrag auf dem Tisch des Umweltausschusses des Bonner Stadtrats zu dieser Thematik vor, über den am 18. Dezember 2014 entschieden wird.
Herbert Hoting hat sich seitens AntiAtomBonn intensiv mit der Thematik beschäftigt und die Antragstellenden beraten. Über die aktuellen Entwicklungen haben wir mit ihm gesprochen.
AntiAtomBonn: Um was geht es in diesem Antrag?
Herbert: Der Rat der Stadt Bonn wird aufgefordert, sich klar und eindeutig gegen Urantransporte über das Stadtgebiet auszusprechen. Zudem muss die bisherige Geheimhaltung der Transporte umgehend beendet werden.
AntiAtomBonn: Werden dadurch die Atomtransporte sicherer?
Herbert: Wenn nicht einmal die Feuerwehr vorab über einen Urantransport informiert ist, wird das zu Verzögerungen oder Fehlentscheidungen im Falle einer Katastrophenabwehrmaßnahme führen, im schlimmsten Fall mit tödlichen Folgen. Wirklich sicher sind aber nur die Transporte, die nicht stattfinden.Darauf zielt auch der aktuelle Antrag an den Umweltausschuss ab.
AntiAtomBonn: Was wird bei diesen Atomtransporten konkret transportiert? Was passiert, wenn Waggons eines solchen Zugs entgleisen und in Brand geraten?
Herbert: Bei den Transporten der letzten Monate über die Schiene ging es vorwiegend um Vorprodukte der Brennelementherstellung, also um Uranerzkonzentrat und Uranhexafluorid. Entweicht Uranerzkonzentrat, auch Yellow Cake genannt, legt es sich als feines Pulver über alle Oberflächen, kann mit dem Wind weit verbreitet werden und entfaltet nach dem Einatmen in der Lunge seine krebserregende Wirkung. Uranhexafluorid hat neben seiner Radioaktivität eine extrem hohe chemische Giftigkeit. Zusammen mit der Feuchtigkeit der Luft bildet sich tödliche Flusssäure, gegen die nur eine sofortige Evakuierung der betroffenen Gebiete hilft, bei der Vielzahl von Schulen, Kitas, Altenheimen und Krankenhäusern entlang den Transportrouten eine schier unlösbare Aufgabe.
AntiAtomBonn: Für welchen Zweck werden die Atomtransporte durchgeführt?
Herbert: Ein Teil der Transporte sind reine Transittransporte, z.B., wenn Uranerzkonzentrat aus Kasachstan über den Hamburger Hafen nach Frankreich transportiert wird oder frische Brennelemente von Schweden in die Schweiz. Andere Transporte dienen der Versorgung der Urananreicherungsanlage in Gronau bei Münster und der Brennelementfabrik in Lingen an der Ems. Letztere wird ausschließlich mit LKWs über die Straße versorgt. Allen Transporten gemeinsam ist, dass sie den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke in Deutschland und weltweit garantieren. Mit dem angestrebten Atomausstieg ist das unvereinbar.
AntiAtomBonn: Gibt es Städte und Kommunen, die vergleichbare Beschlüsse haben? Können Städte und Kommunen Atomtransporte durch ihr Stadtgebiet verbieten?
Herbert: In zahllosen Kommunen gibt es ähnliche Initiativen, die in einigen Fällen auch erfolgreich waren. Eine einzelne Kommune kann in der Tat wenig ausrichten. Deshalb ist ein Bündnis von Kommunen mit Beschlüssen über einen Urantransport-Stopp so wichtig, um gemeinsam Druck auf die Landesregierung und Genehmigungsbehörden zu machen. Bisher wussten die Initiativen in den Städten und Gemeinden oft nichts voneinander, konnten nicht voneinander profitieren oder sich abstimmen. Das wird sich jetzt nach einer internationalen Urantransportkonferenz in Münster Ende November ändern.
AntiAtomBonn: Was könnten Bürgerinnen und Bürger, die diese Atomtransporte ablehnen, tun?
Herbert: Wichtig ist, dass die ablehnende Haltung öffentlich wird, in Gesprächen mit Freunden und Verwandten oder Kollegen am Arbeitsplatz, durch Leserbriefe und Fragen an Abgeordnete und Stadtverwaltung. Alle können sich an den Transportbeobachtungen beteiligen, auf die die Initiativen sogar angewiesen sind. Bei Schienentransporten sind wir bereits recht gut organisiert, LKW-Transporte über die Straße werden aber oft nur durch Zufall entdeckt. Hier können Beobachtungen auf der Seite www.urantransport.de gemeldet werden. Diese Seite informiert auch ausführlich über die üblichen Gefahrgutkennzeichnungen und Warnhinweise an den Fahrzeugen.
AntiAtomBonn: Immer wieder lesen wir von geplanten Atomtransporten aus dem Forschungsreaktor in Jülich, die in die USA gehen sollen? Was steckt da dahinter?
Herbert: Das ehemalige Atomforschungszentrum in Jülich hat ein strahlendes Erbe: fast 300.000 Brennelementkugeln, verpackt in 152 Castoren, die auf dem Gelände der Anlage gelagert werden. Die Genehmigung für die Lagerhalle ist seit Mitte 2014 abgelaufen, ein Abtransport in das Zwischenlager Ahaus konnte von der Anti-Atom-Bewegung verhindert werden. Einziger Ausweg aus Sicht der Bundesregierung: Export in den US-Bundesstaat South Carolina, wo laut US-Energieminister das dortige Forschungszentrum die abgebrannten Brennelemente aufnehmen soll. Das würde einen klaren Verstoß gegen das Atomgesetz darstellen, wonach der Export von Atommüll verboten ist. Die Verhandlungen laufen seit langem, sind aber zur Zeit ausgesetzt. Wir protestieren entschieden gegen dieses Vorhaben und sehen nur eine akzeptable Lösung: schnellstmöglicher Neubau einer Lagerhalle nach dem neuesten technischen Stand auf dem Gelände des Forschungszentrums und Abtransport der Brennelemente in ein atomares Endlager, sobald dieses eines Tages fertiggestellt sein sollte.
AntiAtomBonn: Vielen Dank für das Gespräch.
PS: Der Antrag ist hier einzusehen.