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Fred aus BonnFred aus Bonn nahm im November 2004 an einer gewaltfreien Sitzblockade als Protest gegen Atomkraft und Castortransporte in Langendorf bei Gorleben teil. Die Blockade wurde durch die Polizei geräumt. Im Mai 2005 wurde ein Bußgeldverfahren gegen Fred von der Polizeidirektion Lüneburg eröffnet, gegen das er Widerspruch einlegte. Nun hat er am 08. Mai 2006 einen Termin vor dem Amtsgericht in Lüneburg. Wir fragten Fred zu den Hintergründen. Die Fragen stellte Jens von antiatombonn.de.

antiatombonn: Fred, was wird dir von Amts wegen vorgeworfen?

Fred: Mir wird zur Last gelegt, an einer Versammlung in einem Bereich teilgenommen zu haben, in dem aufgrund der Allgemeinverfügung der Bezirksregierung Lüneburg ein Versammlungsverbot bestand. Wir saßen da schon die ganze Nacht auf der Straße bei eisiger Kälte, um deutlich zu zeigen, dass der Betrieb von Atomkraftwerken ungeheure Gefahren für die Gesellschaft, die Umwelt und die zukünftigen Generationen mit sich bringt.

Warum hast du Widerspruch gegen den Bußgeldbescheid der Polizei eingelegt?

Natürlich bin ich da auf der Straße gesessen und nicht weggegangen, als die Polizei es wollte und uns dann abräumte, denn es ist notwendig, dass z.B. durch Proteste gegen Castortransporte auf die Bedrohung unserer Lebensgrundlagen hingewiesen wird. Die Kernenergie wurde in den 50er, 60er und 70er Jahren intensiv durch die Politik in Deutschland gefördert. Man wollte führend in dieser „Schlüsseltechnologie“ sein, mit der man sich erhoffte, praktisch unbegrenzt Energie und wirtschaftliche Entwicklung erzeugen zu können. Sehr früh wurde deutlich, wie gefährlich diese Technologie ist. Dies haben Unfälle in Atomkraftwerken deutlich gezeigt, wie z.B. in Harrisburg (USA) und Tschernobyl (UdSSR/ heute Ukraine). Die reale Gefahr eines Super-GAU in Deutschland zeigen auch Unfälle in Atomkraftwerken in Deutschland wie z.B. in Brunsbüttel 2001.

Aber es gibt doch den „Konsens über den Atomausstieg“. Warum musst du deinen Po weiterhin so hinderlich auf die Straße setzen, wenn ein Castor kommt?

Erstens, weil dieser „Atomausstieg“ allenfalls ein „geregeltes Auslaufen“ der Atomenergienutzung in Deutschland ist und praktisch den ungestörten Betrieb der AKWs in Deutschland sichert. Bisher wurden in 6 Jahren Atomausstieg nur zwei laufende Atommeiler stillgelegt und das waren die ältesten und kleinsten. Zweitens liegt bei der Bewertung der Kosten von Atomenergie ein eklatantes Marktversagen vor, d.h. die realen Kosten werden den Großkonzernen nicht in Rechnung gestellt: Wenn es z.B. zu einem Super-GAU in einem AKW in Deutschland kommt, tragen die Bürgerinnen und Bürger die Kosten. Die Konzerne sind mit 2,5 Mrd. Euro nur zu 0,25% gegen einen Super-GAU in Deutschland versichert, der Kosten von ca. 1000 Mrd. Euro verursachen würde.

Eine reale Zuordnung dieses Risikos würde Atomstrom konkurrenzlos teurer machen. Gleichfalls ist die Frage der Endlagerung technisch bisher noch völlig unbefriedigend gelöst. Es ist daher mit Sicherheit davon auszugehen, dass die Kosten für die Endlagerung um ein vielfaches höher sein werden, als derzeit kalkuliert. Diese Kosten werden nach derzeitiger Regelung wiederum die zukünftigen Generationen zu bezahlen haben. Drittens, die genannte mangelnde Kostenzuweisung für die Atomstromproduktion ist für die quasi Energiemonopolisten wie E.on, Vattenfall, RWE und EnBW praktisch eine Lizenz zum Gelddrucken. Diese Lizenz wird durch eine enorme Lobbyarbeit verteidigt. Die Großkonzerne haben insbesondere in wirtschaftlich schwachen Zeiten einen enormen Druck auf die Regierung (Wirtschaftsstandort Deutschland, Arbeitslosigkeit, Sicherstellung der Energieversorgung). Gegen diese Lobby müssen sich die Bürgerinnen und Bürger mit Zivilcourage zur Wehr setzen.

Wäre es in dieser Situation nicht besser, die Energie in die politische Debatte einzubringen, als sich mit einem Amtsgericht herumzustreiten?

Ich streite mich mit keinem Amtsgericht. Für mich ist es wichtig, in diesem Prozess zu unterstreichen, dass die anwesende Richterin, der Staatsanwalt, die als Zeugen geladenen Polizisten gleichfalls aufgefordert sind Zivilcourage zu zeigen und sich damit für den Rechtsstaat und die Demokratie einsetzen. Dies könnte sich bei der Richterin und Staatsanwalt darin ausdrücken, dass die in den letzten Jahren zunehmenden Bußgeldverfahren gegen gewaltfrei protestierende Bürgerinnen und Bürger wieder eingestellt werden. Bei Polizisten könnte sich dies durch ihre Weigerung, an Castortransporten teilzunehmen oder durch ihr mäßigendes Auftreten erfolgen, wenn Kollegen unverhältnismäßig hart mit Demonstranten umgehen.

Und was kann der Normalmensch hier in Bonn zum Atomausstieg beitragen?

Zum Beispiel den Stromanbieter oder den Tarif wechseln. Die Stadtwerke Bonn (SWB) haben in ihrem Standardtarif über 20% Atomstromanteil. Da könnte zum Tarif „Bonn Natur“ gewechselt werden oder zu den Klassikern wie Elektrizitätswerke Schönau (EWS), Greenpeace Energy oder Naturstrom AG, die garantiert keinen Atomstrom in ihrem Angebot haben. Der Wechsel ist einfach. Einfach anrufen, dann erhält man überschaubare Unterlagen, mit denen der Wechsel durch den neuen Anbieter vollzogen wird. Wichtig ist, weg von den oben genannten großen Stromkonzernen zu wechseln, d.h. auch in keinen „grünen Tarif“ dieser Unternehmen, da diese auf Atomenergie setzen und massiv Einfluss auf die Bundesregierung und die Gesellschaft ausüben.

Vielen Dank für das Interview, Fred!