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...der Trog bleibt, die Schweine wechseln...Artikel erschienen in Nullnummer Bonn, September 2005

Ein Kommentar zum Bundestagswahlkampf 

Der rot-grüne „Atomausstieg“ hat unter dem Strich nicht viel gebracht. Für die Abschaltung von zwei bzw. drei AKWs (Mühlheim-Kärlich, Stade, Obrigheim) wurden viele Aktive beschwichtigt und eingelullt in dem Glauben, dass die Politik den Ausstieg nun endgültig durchführe. Die Abschaltung der genannten AKWs wäre mit hoher Sicherheit auch unter einer schwarz-gelben Regierung erfolgt - bei Vorhandensein einer starken Anti-Atom-Opposition im Bundestag - wie sie vor der rot-grünen Bundesregierung bestand.

Der Atomkonsens hat gezeigt, dass es zwar theoretisch gut ist, den Atomausstieg im Atomgesetz zu verankern und in diese Richtung zu planen, aber er hat auch gezeigt, dass es überhaupt nicht ausreicht über die parlamentarische Ebene zu gehen, sondern dass für einen wirklichen Stopp der AKWs weiterhin das aktive Engagement von Bürgerinnen und Bürgern notwendig ist. Dieser kann von kreativen Aktionen, die den Betrieb von AKWs für die Betreiber unattraktiv und teuer machen bis hin zu konsumbewussten Handeln reichen (z.B. Wechsel des Stromanbieters, also weg vom Atomstrom-Monopolisten, hin zum dezentralen Anbieter, der auf regenerative Energien zurückgreift). Der rot-grünen Bundesregierung kann zu Gute gehalten werden, dass über die Förderung von regenerativen Energien diese und ihre Lobby eine bessere Position in Deutschland erhalten haben.

Atomenergie wird in Deutschland deshalb produziert, weil sie unter den derzeitigen Bedingungen profitabel für die Stromkonzerne Eon, RWE, EnBW und Vattenfall ist, die im wesentlichen die Atomkraftwerke in Deutschland betreiben (Stadtwerke und die Deutsche Bahn halten Anteile als Gesellschafter an einigen AKWs). Die Bedingungen sind deshalb profitabel, da die Risiken und damit Kosten dieser Energiewirtschaft den Produzenten nicht zugewiesen, sondern von der Allgemeinheit getragen werden, da z.B. das Risiko, also die Kosten, die bei einem GAU eines AKWs entstehen zu 95% durch die Bürgerinnen und Bürger Deutschlands und der angrenzenden Staaten übernommen werden. Die Betreiber von Kernkraftwerken müssen nur für ca. 5% der Kosten eines GAUs in Deutschland eine Versicherung abschließen (Deckungssumme 2,5 Mrd. Euro).

Gleichfalls ist für die Endlagerung von radioaktivem Abfall, für den es weltweit noch kein technisch ausgereiftes, geschweige denn finanzierbares Konzept gibt, noch völlig ungelöst. Es ist mit hoher Sicherheit davon auszugehen, dass die Endlagerung von Atommüll entweder technisch gar nicht möglich, oder mit sehr sehr hohen Kosten verbunden ist. Diese Kosten für den „günstigen Atomstrom“ übernehmen nach derzeitigem Konzept zum Glück die kommenden Generationen. Dadurch können die Profite der Stromkonzerne angenehm stabil gehalten werden.

Ein realistisches Szenario könnte also so aussehen, dass die kommende Generation im Falle des hochradioaktiven Abfalls in Deutschland in 30 Jahren damit beginnen soll, diesen in ein großes Loch in Gorleben zu kippen, da ein Sachzwang entstanden ist: „Wohin mit dem Atommüll? Die Castoren, die bis dahin als Lagerbehälter dienen, sind spröde geworden und ihr strahlender Inhalt muss umgeladen bzw. entsorgt werden.“ Da auch in 2030 nach aller Voraussicht nach keine akzeptable technische und auch finanzierbare Lösung für eine Endlagerung gefunden und für das technisch Mögliche kein Geld vorhanden sein wird, wird man in gewohnt pragmatischer Form vorgehen. Pragmatisch deshalb, da es zu dieser Zeit noch mehr Arbeitslose und noch mehr Staatsverschuldung geben wird, und die Stromkonzerne ihre erwirtschafteten Gewinne mit dem Hinweis auf die eklatante Beeinträchtigung des „Wirtschaftsstandort“ Deutschland verteidigen werden. Man wird also endlagern oder weiter zwischenlagern, damit für die nächsten 100 Jahre Ruhe ist. Und danach?

Atomenergie gefährdet die Bürgerrechte. Atomenergieerzeugung ist eine gefährliche Technologie, die geschützt und bewacht werden muss. Es ist eine Tatsache, dass ein AKW vergleichsweise einfach durch ein Flugzeug oder ein Selbstmordkommando außer Kontrolle und ein GAU entstehen kann. Deshalb wird an Sicherheitsstrategien gearbeitet (Vernebelung von AKWs, Schutz durch Bundeswehr....), die wieder nur eine Scheinsicherheit vorgaukeln. Gleichzeitig werden jedoch immer mehr Bürgerrechte beschnitten, um die „Terrorismusgefahr“ zu reduzieren. Dies geschieht, um die gewaltige Fehlinvestition in die Atomkraft von staatlicher Seite aus zu verschleiern und um aus den alten und abgeschriebenen AKWs in Deutschland noch mehr Gewinn für die Betreiber zu erzielen.

Und wen soll ich nun bei der nächsten Bundestagswahl wählen? Die Ausbaupläne für Atomkraft von schwarz-gelb und die Bestands- und Profitsicherung für AKWs von rot-grün sind nicht akzeptabel. Daher macht es Sinn, Parteien zu wählen, die die atompolitische Behaglichkeit in der Bundesrepublik wieder hinterfragen und sich für eine sofortige Stelllegung aller Atomanlagen einsetzen. Und wer zur Wahl geht, sollte seine politische Mitverantwortung nicht gleich mit in die Wahlurne werfen.

Wer Lust auf mehr Information und Aktion zum Thema Anti-Atom in Bonn hat, der kann gerne Kontakt zu uns aufnehmen: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Jens, Anti-Atom-Gruppe-Bonn